WM 2021: Deutschland setzt Siegesserie fort

Auch der dritte Tag der Hallenradsport-Weltmeisterschaft 2021 in Stuttgart/Deutschland brachte eine perfekte Ausbeute für das Gastgeberland. Mit zwei weiteren Doppelsiegen im Einer Kunstradfahren der Männer sowie Zweier Kunstradfahren der Frauen wurde im abschließenden Radball-Finale mit dem Triumph des deutschen Teams abgerundet.

Somit gingen alle Titel sowie vier Silbermedaillen an die Delegation des Bund Deutscher Radfahrer. Einmal Silber und dreimal Bronze sammelte Österreich und ein Vizetitel sowie zwei dritte Plätze gingen an die Schweiz. Neu im Medaillenspiegel mit einem dritten Platz ist Spanien.

1er Männer: Zuschauer tragen Lukas Kohl zum zehnfachen Drehsprung

Der vierfache Weltmeister Lukas Kohl (Kirchehrenbach/GER) sicherte sich mit einem legendären Vortrag Titel Nummer fünf in Folge. Der Drehsprung, eines der wohl komplexesten Elemente im Kunstradfahren, bei dem sich der Athlet seinen Körper mit den Händen am Lenker mehrfach um das Rad herum schwingt, hat er in fünffacher Ausfertigung im Programm. Im Final-4 erweitertet Kohl das Ganze auf zehn Umdrehung.

„Fünf muss ich machen, die waren gut. Und dann haben mich die Zuschauer aber mit ihrer Begeisterung um jede weitere Umdrehung getragen. Ohne den tosenden Applaus hätte ich die zehn sicher nicht geschafft“, sagte der UCI-Champion. Sein Konkurrenten Max Maute (Tailfingen) riss es dabei von seinem Leadersessel – ebenso die Zuschauer, die Kohls Vortrag mit stehenden Ovationen huldigten. Die taktische Erweiterung, mit der Kohl Zusatzpunkte sammelte, hätte er gar nicht gebraucht. Mit 210,07 Punkten erzielte er einen neuen WM-Rekord.

Silbermedaillengewinner Max Maute hatte in der Vorrunde imponiert. Seine WM-Premiere eröffnete er mit 198 Punkten. Doch im Final-4 misslang ihm der nach seinem Vater Dieter Maute benannte Sprung vom Sattel auf dem Lenker. „Das hat mich vorallem deswegen geärgert, weil diese Übung sonst immer sehr gut klappt.“ Am Ende wurde es mit seinen 184,17 Punkten noch eng um Rang zwei. „Da habe ich echt noch mal kurz gezittert“, erzählte Maute. „Natürlich hätte ich im Finale meine Leistung vom Vormittag wiederholt. Doch ich bin froh, dass es zu Silber gereicht hat.“

Hinter dem deutschen Duo macht ein junger Spanier von sich reden. Der erst 18-jährige Emilo Arellano stieg in die Fusstapfen seines Vater José, der vor exakt 20 Jahren seine Karriere als zweifacher Vizeweltmeister und dreifacher WM-Dritter beendet hatte. Mit seinen 182,37 Zählern kam er dem Vizerang sehr nahe. Es war zwar sein erster WM-Auftritt , aber die Porsche-Arena kannte er bereits.

„Vor zehn Jahren bin ich als Schülerfahrer bei der Stuttgarter Championstrophy dabei gewesen“, erinnert sich Emilo. Doch das sei zur WM-Atmosphäre mit rund 4.000 Zuschauern nicht vergleichbar. „Es war schon großartig, dass ich es auf Anhieb in die Medaillenrunde geschafft habe. Dass ich jetzt Bronze gewonnen habe, ist eigentlich unfassbar.“

Rang vier ging an den Jakub Masek aus Tschechien. Er hatte sich in der Vorrunde um zwei Ränge vorgearbeitet und damit die Finalteilnahme gesichert. Bereits am Samstag hatte er zusammen mit Tomas Gruna im Zweier der offenen Klasse den vierten Platz belegt.

2er Frauen: Neulinge schnappen sich das Gold

Das Frauen-Duo Selina Marquardt und Helen Vordermeier fühlten sich noch lange „wie im falschen Film“. Die deutsche Startgemeinschaft aus Oberjesingen (Marquardt) und Stuttgart (Vordermeier) fuhr völlig unerwartet zu Gold. „Wir können das kaum glauben“, sagte Selina Marquardt, „das fühlt sich so irreal an.“

Erst seit 2018 bilden die beiden ein Gespann. Es war die perfekte Kür, die Marquardt/Vordermeier im Finale ins Regenbogentrikot trug. 137 Punkte hatten sie als vorletzte Starterinnen ihrer Disziplin im Final-4 vorgelegt. Der Heimvorteil war ein Bonus, die Unterstützung der eigenen Fans zahlte sich aus.

 Tränen flossen hingegen beim favorisierten Paar Caroline Wurth/ Sophie-Marie Wöhrle (Gutach/GER). In der Vorrunde hatten sie mit 140 Punkten klar dominiert. Aber schon der Kürauftakt im Final-4 misslang. Beim Handstand/Kopfstand auf einem Rad musste Caroline zweimal ansetzen und kurz darauf standen beide auf dem Boden.

128 Zähler bedeuten erneut Rang zwei – zum dritten Mal in Folge. „Natürlich sind wir erstmal tief enttäuscht, dass wir schon wieder nicht den Titel geholt haben“, sagten die Vize-Weltmeisterinnen. „Wenn ein paar Stunden vergangen sind, wird sich das vorbei sein und morgen sieht die Welt wieder anders aus.“

Ganz anders sah die Gefühlslage bei den Drittplatzierten Rosa Kopf und Svenja Bachmann (Österreich) aus. Auch sie sicherten sich zum dritten Mal in Folge die Bronzemedaille. „Das war unser erklärtes Ziel“, so Rosa. Mit nur rund acht Punkten Abzug setzten sie ihre Kür am besten um.

Aber ihre Schwierigkeit ist niedriger und so reichten die 121,31 Punkte zu Platz drei. Mehr sei kaum möglich. Die beiden Studentinnen können nur am Wochenende gemeinsam trainieren. „Wir haben schon noch etwas Steigerungspotenzial“, lassen sie durchblicken, dass sie im kommenden Jahr wieder als Herausforderinnen der deutschen Paare antreten werden.

Einer Frauen
1. Milena Slupina (GER)
2. Lara Füller (GER)
3. Alessa Hotz (SUI)

Einer Männer
1. Lukas Kohl (GER)
2. Max Maute (GER)
3. Emilio Arellano (ESP)

Zweier Frauen
1. Selina Marquardt/Helen Vordermeier (GER)
2. Caroline Wurth/Sophie-Marie Wöhrle (GER)
3. Rosa Kopf/Svenja Bachmann (AUT)

Zweier offene Klasse
1. Serafin Schefold/Max Hanselmann (GER)
2. Nico Rödiger/Lea-Victoria Styber (GER)
3. Katharina Kühne/Marcel Schnetzer (AUT)

Vierer offene Klasse
1. Deutschland (Nora Erbenich/Sabrina Born/Annika Furch/Hannah Rohrwick)
2. Österreich (Leonie Huber/Lukas und Lea Schneider/Julia Wetzel)
3. Schweiz (Ronja Zünd/F. Haas/Laura Tarneller/N.Bissegger)

(Text: Stefan Thomé / Fotos: Silja Donis/Mike Lauterbach)

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